Wie Perfektionismus, Fehlerangst und Selbstoptimierung das Leben zur Hölle machen und wie man sich davon befreit
Das Sprichwort „der Teufel steckt im Detail!“ wird wohl von einem Perfektionisten stammen. Denn Menschen mit zwanghaftem Perfektionismus schaffen es nicht, selbst bei unwichtigen Aufgaben Abstriche zu machen. Und so verrennen sie sich in unnützen Kleinigkeiten – aus Angst zu versagen, dem Chaos zu verfallen oder abgelehnt oder ausgeschlossen zu werden. Und je weniger Zeit und je größer die Aufgabenlast, desto mehr macht dieser „Pingelig-Teufel“ Perfektionisten das Leben schwer.
Denn egal, wie stressig das Leben auch sein mag: Sie kämpfen um eine Genauigkeitsquote von weit mehr als 100 % – um überragend, unangreifbar und unzweifelhaft korrekt zu sein. Kein Wunder also, dass Perfektionisten heute permanent überfordert sind und stets gegen ihre Angst „zu versagen“ ankämpfen.
Inzwischen finden sich daher unter den vielen Burn-out-, Depressions- und Panikpatienten viele Menschen mit Perfektionismus als Leitprinzip (oder sollte man besser Leidprinzip sagen?), welches eine der Hauptursachen ihrer Schwierigkeiten ist.
Aber nicht nur dort ist die Angst vor Fehlern oder „falsch sein“ regelmäßig anzutreffen: Viele Prokrastinierer, also Menschen mit „Aufschieberitis“, leiden ebenso an einem zu hohen Genauigkeitsanspruch und der Vorstellung höchst unangenehmer Folgen bei Nicht-Erfüllung der Erwartungen. Daher verfangen sie sich lieber unbewusst in Unsicherheiten oder Phlegma, um der Gefahr von Fehlermachen mit einer möglichen Ablehnung oder Zurückweisung ihrer Person zu entkommen.
Selbst bei Menschen, die „nur“ mit Selbstwertproblemen kämpfen, lässt sich häufig das enorme Muss nach Perfektion und Fehlerfreiheit und die „Angst zu versagen“ finden, was oft in starken Selbstoptimierungszwängen sichtbar wird.
Außerdem leiden viele Perfektionisten auch am Hochstapler-Syndrom: Nur weil sie so überragend agieren, glauben sie als so erfolgreich angesehen zu werden. Im Inneren aber sind sie überzeugt, dies gar nicht zu sein und fühlen sich klein, wertlos, bemakelt oder minderwertig, – ganz wie ein Hochstapler, der nur durch den äußeren Schein glänzt. Und dennoch suchen sie weiterhin ihre Heilung im Perfektionismus, um sich hoffentlich bald nicht mehr so fühlen zu müssen …
Perfektionismus und Höchstleistung und ein „sich selbst übertreffen“, werden gesellschaftlich „gehyped“ – dank des allgegenwärtigen Controllings und der nur noch Superlative feiernden Medien.
Daher fällt es vielen zusehends schwerer, „normal“ statt „außergewöhnlich“ zu sein und „Dienst nach Vorschrift“ statt Dauerhöchstleistung zu erbringen.
Immer mehr Menschen stecken somit in einem Dilemma fest: zwischen selbstschädigender Selbstversklavung an das Prinzip Selbstoptimierung und den schädlichen Auswirkungen der permanent zu erbringenden Höchstleistung, – und gehen einer Erschöpfung, Überforderung und Versagensgefühlen gnadenlos entgegen.
Die Muster hinter diesen Ansprüchen, die teilweise aus Prägungserfahrungen und zum Teil auch aus ungünstigen Rahmenbedingungen entwickelt wurden, reichen oft bis weit in die Kindheit zurück. Einst als Bewältigungsversuch für hilfreich befunden, machen Perfektionismus, Fehlerphobie und Selbstoptimierung
das Leben bald jedoch buchstäblich zur Hölle und Betroffene richtig krank.
Doch diese Spirale kann gestoppt werden. Dazu ist es nötig, an den Wurzeln des Verhaltens zu arbeiten und weitere Schwierigkeiten wie Selbstwertprobleme, ein „Nicht-Neinsagen können“ oder starke Angst vor Ablehnung abzulegen.
Dann kann am Ende ein Mensch entstehen, der wirklich perfekt ist: eben weil er endlich Nichtperfekt ist!
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